By the way wo ist eigentlich der Hund?





























Bandevonzwei, 2016/17

BEI THE WAY WO IST EIGENTLICH DER HUND
Zwischenstück für 3 Schauspieler*innen und Hund.

Bühnenbild des zuvor gezeigten Theaterstücks.
Drei Schauspieler*innen sind in einem für sie fremden Ort. Sie tragen jeder einen Rucksack und leuchten sich den Weg zur Bühnenmitte mit Taschenlampen aus. Einer der Schauspieler hält einen Hund an einer Leine, die er abnimmt, sobald alle gemeinsam die Mitte der Bühne erreicht haben. Erst dann beginnt das Stück. Der Hund ist während der Dauer des Zwischenstückes nicht angeleint und bewegt sich frei im Raum. Er ist weder an Bühne, noch an den Raum gebunden.

(Bühnenlicht an, Taschenlampen aus)

A
Hier war ich noch nie!

B
Bist du dir da sicher?

A
Hier war ich noch nie!

B
Der genetische Fingerabdruck eines Individuums ist unverkennbar.

C
Einzigartig.

B
Großartig.

A
Aber hier wäre ich gerne mal gewesen.

(holt einen gefalteten Zettel aus der Hosentasche und liest vor)
Sage ich ein einzelnes Ding, so sage ich es vielmehr ebenso als ganz Allgemeines , denn alle sind ein einzelnes Ding; und gleichfalls dieses Ding ist alles, was man will. Genauer bezeichnet, als dieses Stück Papier, so ist alles und jedes Papier, ein dieses Stück Papier, und ich habe nur immer das Allgemeine gesagt. (1)

C
Bist du dir da sicher?
Du warst ja noch nie hier.

B
Und nur vom Aussehen.

C
Nur vom Look.

B
Don't judge a book by it's cover.

C
Die Fassade kann täuschen.

A
Es ist ein erster Eindruck.
Die Menschen, die an diesem Ort hier leben, scheinen nachgedacht zu haben. Sonst würde dieser Ort nicht so aussehen. Sonst würde dieser Ort sich nicht so anfühlen.

B
Wie fühlt sich dieser Ort denn an?

C
Ich fühle nichts.

A
Er fühlt sich warm an.

C
Das ist das Licht.

A
Er fühlt sich lebendig an.

C
Er fühlt sich fremd an.

A
ich denke du fühlst nichts?

C
Fängt gerade an.

B
So so.

A
Für mich fühlt es sich an, als könne ich mich hier wohl fühlen.

B
So so.

C
Ich will mich hier gar nicht wohl fühlen.

B
Ist ja auch nicht so schwer, wenn du nichts fühlst.

C
ich sagte doch, fängt gerade an.

A
Als wir aufbrachen. Da fing es an.

B
Es fing an, als ich zum ersten Mal darüber nachdachte zu gehen.

C
Und hier soll es enden?

A
Ich weiss nicht. Sag du es mir.
Was sagt dir dein Gefühl?

B
Es geht nicht immer nur um Gefühle.

A
Ein Gefühl.

B
Es geht nicht um ein Gefühl.

(holt einen gefalteten Zettel aus der Hosentasche und liest vor)
Es bedurfte dazu natürlich nicht des Nachdenkens, ja nicht einmal des Ausmachens einer Handlung oder einer Umwandlung. Da war einfach das körperliche Gefühl einer Leere, die sich bereits in der Brust auftat, als würde die Luft angehalten und der Atem stillstehen. Es war wie ein einziger Hauch, ein einziger Seufzer, ausgestoßen in einer bereits unmerklich geöffneten Höhle. Eine einzige Vorstellung: über Bord gehen und zugleich an Deck bleiben. (2)

A
Wie willst du dich sonst entscheiden?

B
Um welche Entscheidung geht es hier denn?

A
Wie du mit dem umgehst, was du zurückgelassen hast. Und wie du mit dem umgehst, was du mitgenommen hast,

B
Reden wir hier von Heimat?

A
Wir reden von einem Zuhause.

B
(holt einen gefalteten Zettel aus der Hosentasche und liest vor)
was wäre ein Reisebericht, in dem es hieße, man bleibe, ohne doch je angekommen, man reise, ohne doch je aufgebrochen zu sein – wo es, einmal aufgebrochen, niemals hieße, man sei angekommen oder nicht angekommen? Ein solcher Bericht wäre ein Skandal. (3)

C
By the way, wo ist eigentlich der Hund?



(Bühnenlicht aus, Taschenlampen an, Abgang)





Hegel, G. W. (2006 [1807]). Phänomenologie des Geistes. Hamburg: Meiner., Seite 79
Nancy, J.-L. (2000). Der Eindringling. Das fremde Herz. Berlin: Merve Verlag. Seite 13
Barthes, R. (1970). S/Z. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Seite 625

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